von 2015-07-27 Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen des Kreistages.
Die SPD-Fraktion hat bereits in früheren Sitzungen nachdrücklich darauf hingewiesen, dass das Angebot des Rhön-Klinikums, unsere Kreisklinik zu übernehmen, einer umfassenden und auch kritischen Prüfung bedarf. Ich denke, die übrigen Kreisrätinnen und Kreisräte treffen diese Entscheidung ebenfalls nicht leichtfertig.
Unbestritten gibt es Gründe für einen Verkauf gleichermaßen wie Argumente, die dagegen sprechen. Es gibt Chancen, aber gleichwohl zahlreiche Risiken. Deshalb muss ein solcher Schritt gut überdacht und die Vor- und Nachteile gut abgewogen werden. Alles wie bisher zu belassen, wäre verantwortungslos, wenn wir das Ziel verfolgen, die medizinisch beste Versorgung für unsere Bevölkerung in der Zukunft und auch in der neuen Konkurrenzsituation sicher zu stellen.
Momentan läuft unser Krankenhaus im Vergleich zu anderen kommunalen Häusern positiv. Das verdanken wir vor allem unserem sehr engagierten Personal. Häufig hört man Argumente, dass kommunale, kirchliche oder caritative Krankenhäuser und Altersheime besser seien als private Einrichtungen. Ob die Pflege und Betreuung von Patienten gut oder weniger gut beurteilt wird, liegt unserer Meinung nach fast ausschließlich an den jeweils handelnden Personen bzw. Beschäftigten. Wenn jemand freundlich, nett und hilfsbereit ist, ändert sich dieses Verhalten auch dann nicht, wenn die Trägerschaft wechselt oder eine Einrichtung privatisiert wird.
Nach wie vor hätte es unsere Fraktion für sinnvoll gehalten, bei dieser zukunftsweisenden Entscheidung die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises durch ein Ratsbegehren mit einzubeziehen. Dieses wurde leider von der Mehrheit im Kreistag abgelehnt und wir haben so kein klares Meinungsbild über die Akzeptanz eines Verkaufs in der Bevölkerung.
In der SPD gibt es keinen Fraktionszwang. Unsere heutige Entscheidung ist weitreichend und kann im nächsten Haushaltsjahr nicht einfach wieder geändert oder korrigiert werden. Als Fraktionssprecher kann ich akzeptieren, dass es in meiner Fraktion dazu unterschiedliche Meinungen gibt und das spiegelt damit die unterschiedlichen Meinungen innerhalb der Bevölkerung wider.
Jede Kreisrätin und jeder Kreisrat vereinbart seine Entscheidung letztlich mit seinem Gewissen und stellt sich intensiv die Frage, welche Lösung in seinen Augen für unsere Bürgerinnen und Bürger die beste ist. Dabei kann man durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das ist gut und richtig, denn wir sollten die Bevölkerung repräsentieren und in der Kommunalpolitik keine parteipolitische Taktik walten lassen. Bei dieser Entscheidung geht es nicht darum, ob wir ein schwarzes, gelbes, grünes oder rotes Krankenhaus bekommen. Es geht darum, langfristig die bestmögliche medizinische Krankenhausversorgung für unsere Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen.
In vielen Gesprächen mit Bürgern, Beschäftigten und Experten haben wir uns informiert und die unterschiedlichen Meinungen abgewogen. Ein Teil der SPD-Fraktion ist dann zu folgender Entscheidung gelangt: Wirtschaftlich kann man im Wettbewerb (auch im Krankenhauswesen) nur bestehen, wenn man dazu bereit und in der Lage ist, in die Zukunft zu investieren und nötige Veränderungen zulässt. Wer nicht innovativ ist und wer nicht ständig investiert in neue Techniken, Verfahren, Gebäude und beim Personal, der hat in unserer globalen und schnelllebigen Welt auf Dauer keine Überlebenschance. Dies gilt nicht nur für die Industrie, sondern auch für den medizinischen Bereich - und das werden wir als Landkreis mit unseren begrenzten Mitteln langfristig schwer leisten können. Insbesondere wenn es zwei Klinikstandorte innerhalb einer Kleinstadt gibt, die räumlich nur ca. zwei Kilometer auseinanderliegen.
Die andere Hälfte unserer Fraktion vertritt die Auffassung, die es ebenfalls in Teilen der Bevölkerung gibt, dass eine Privatisierung unserer Kreisklinik zu riskant und daher nicht akzeptabel sei. Das kann ich gut nachvollziehen, weil es mir auch schwer fällt, diese wichtige Daseinsfürsorge aus der kommunalen Hand und Entscheidung zu geben.
Mit dem Vertragswerk selbst hat sich unsere Fraktion intensiv beschäftigt, auch wenn die Zeit dazu gerade für Berufstätige knapp bemessen war. Ohne näher auf einzelne Punkte einzugehen, hätten wir uns die eine oder andere vertragliche Regelung anders gewünscht. Allerdings wissen wir, dass bei derartigen Vertragsverhandlungen niemals alle Wünsche erfüllt werden können und am Ende ein für beide Seiten akzeptabler Kompromiss herauskommen muss.
Für uns waren folgende Grundbedingungen und Mindestforderungen wichtig und sollten vertraglich abgesichert werden:
Eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Gesundheits- und Krankenhausversorgung der Landkreisbevölkerung muss weiterhin ohne Einschränkungen sichergestellt werden. Wir benötigen weiterhin das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) nicht nur in Bad Neustadt, sondern auch seine Nebenstellen, um eine flächendeckende und wohnortnahe medizinische Versorgung der gesamten Bevölkerung in unserem Landkreis zu ermöglichen.
Es muss gewährleistet sein, dass alle bisherigen medizinischen Bereiche aufrecht erhalten werden. Dazu gehören die Palliativ Station, die Dialyseabteilung oder die Geburtshilfe.
Die Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen auch zukünftig hier am Standort in Bad Neustadt erhalten bleiben.
Die Mitarbeiter der Kreisklinik dürfen bei der Übernahme keine Nachteile erfahren. Ein Arbeitsplatzabbau aufgrund des Verkaufs muss generell ausgeschlossen werden. Das gilt auch für Bereiche wie Verwaltung, Küche oder Empfang.
Aufgrund der jeweiligen Verträge nehmen wir an, dass diese für uns wichtigen Forderungen zumindest für die nächsten Jahre erfüllt werden. Ein Teil meiner Fraktion und auch ein Teil der Beschäftigten in der Kreisklinik teilen diese Zuversicht nicht und befürchten, dass es mittelfristig zu Personalabbau, Verlagerungen und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen kommen kann. Ich selbst bin überzeugt davon, dass durch den Verkauf der Kreisklinik an das Rhön-Klinikum eine gute und moderne medizinische Versorgung für die hiesige Bevölkerung sichergestellt werden kann. Bei der zu treffenden Entscheidung ist jedoch jeder einzelne Kreisrat ausschließlich seinem Gewissen verpflichtet.
Egon Friedel (Fraktionssprecher)